Gebaut: |
1946 in Rotterdam/Wilton Feyenoord, Rumpf wahrsch. 1928 in Gdansk. |
Abmessungen: | L 14,86 - B 3,20 - T 0,90/1,10 |
Motor: |
DMS (Dieselmotoren Schönebeck) Typ PM4, 4 cyl., 68,5 KW, Bj.92/Inbetriebnahme Winter 2005. |
Material: |
Stahl (Rumpf genietet, Aufbau teils genietet, teils geschweisst). Reeling, Seitenluke sowie Steuerhaustüren aus Hartholz mit alten Messingbeschlägen. Bullaugen 8xGußeisen, 4xMessing. |
Eignerin: |
Rega Kerner, "Autorin auf der weiblichen Seite des männlichsten Berufs" |
Die Geschichte der "Noortje" ist ein Puzzle aus bruchstückhafter Überlieferung.
Sie wurde wohl erst als Krabbenkutter, dann ganz sicher als Arbeitsboot eingesetzt, derweil der Rumpf eher an Botter, Schute oder Waalschokker erinnert.
So richtig stimmt die ausgefallene Bugform aber mit keinem davon überein.
Das Heck ist dagegen ein typischer Kutterarsch.
In der geschweißten Rückwand des Steuerhauses fand ich innen, tief unter dem Rost, eine alte Brandmarke und wandte mich an das Scheepsregister R-dam: Mit dieser Nummer ist das Boot noch stets als »Energie I« in Rotterdam, Bj. 1946, registriert. Wobei die offizielle Bauwerft »Wilton Feyenoord« ausschließlich große Seeschiffe gebaut hat!
Ein Aufschrei ging durch die Reihen der alten Hochseewerftexperten: Kann ja gar nicht sein! Steht da aber …
Die alle besänftigende Erklärung fand sich in einer niederländischen Fachzeitschrift:
Direkt nach dem Krieg wurden auf einigen großen, niederländischen Werften
alte deutsche Rümpfe (aus Wiedergutmachung/Kriegsbeute) in Windeseile zu Arbeitsbooten umgeschustert, um damit die neuen Ozeanriesen aufbauen zu können.
So eine ist Noortje also: Voll »Energie« hat sie neugeborene, noch hilflose Seeschiffe im Werft-Hafen herumgeschubst. Die vielen Beulen, insbesondere achtern, zeugen von dieser harten Arbeit.
Mehr dazu siehe: Schiffsvermessung als »Energie1«, dank Digitalisierung der ›Liggers‹ vom LVBHB
(Jetzt mit Links zu Scans der originalen Vermessungspapiere von 1947, die u.a. Position der Brandmarke und Erhöhung des Decks achtern bestätigen und vermutlich schon länger in die Liggers aufgenommen wurden, was ich aber erst 2023 entdeckte!)
Daher auch die zwei Baujahre in zwei Ländern.
Aber mit der Garnalengeschichte stimmt ja auch was nicht:
Noortje ist zu schmal für einen klassischen Kutter. Warum? Länge läuft:
Möglicherweise hat sie in ihrem ›ersten Leben‹ die Krabben nicht gefischt, sondern ›gejagt‹. Hier nicht im Sinne von Treideln, sondern als flottes Schiffchen, daß den Fang von anderen übernimmt und nach Haus bringt, damit die großen Jungs länger auf See bleiben können. Der außergewöhnliche Bug brachte, geladen auf dem Rückweg, dann etwas Ausgleich für die Schmalheit: Er trägt gewaltig.
Auch stampft sie sich damit ihren Weg.
Ich nenne sie gern mein »Walfischbaby«.
Das ist nicht nur optisch ein bisschen ernst zu nehmen, denn vor
Stränden sollte man sich bei dieser Kopfrundung bis zum Bauch hüten. Eine interessante Theorie, bisher aber pure
Spekulation ist, die Nazis könnten sie selbst in die Niederlande gefahren haben: Zum ›Landen‹ wäre der Walfischkopf ja eine ganz
praktische Bauweise, vorausgesetzt man will nicht wieder weg …
Andere vermuteten: »Wenn du mich fragst – das ist ein Eisbrecherkopf.«
Als ich geboren wurde, war mein Schiff schon in Rente.
Seit spätestens Anfang siebziger Jahre ruhte sie als Wohnboot auf mindestens vier verschiedenen Liegeplätzen in
Amsterdam.
Es gibt einen kleinen Schmalfilm von ca. 1971/72.
(Dafür tausend Dank an Dick Jonker!) Der zeigt Noortje ›ganz in weiß‹.
Auf ihr lebte der ›Alte Bonnes‹ (›Oude Bonnes‹) mit seinen Dackeln, wohl mit seinem Schiff gemeinsam in Pension gegangen.
Der Film:
- Für einen ersten Eindruck datenreduziert, recht pixelig als wmv, ca.8MB
- Bessere Qualität im Download als QuicktimeMovie, ca. 80MB
- Standbilder mit Überlegungen zu ein paar Details
Danach gab es verschiedene Eigentümer. Mein Voreigner, Dennis Duiker, übernahm sie 1997 mit ausgebranntem Vorschiff.
Ich sah, liebte, kaufte und
entführte sie aus A-dam in 2002.
Leider sind die Bewohner zwischen Bonnes und meinem direkten Vorgänger bisher
nicht recherchierbar.
(Die Kette reißt schon am Anfang: Mein Verkäufer sagte, sein Vorgänger sei ausgewandert,
nach Indonesien oder Indien …).
- Bilder und Infos vom Zeitpunkt des Kaufs auf niederländisch(2002)
- Anfrage zur Historie auf niederländisch (2006)
In der Küche (hinterer Raum) sind noch Fundamte von einer früheren, schweren Maschine.
Gekauft habe ich sie jedoch
mit einem unter dem Steuerhaus eingebauten, kleinen 68 PS Perkins 6 cyl., Typ PM6 / 4,73 l. Das genaue Baujahr dieses
Motors ist unbekannt, aber der Typ wurde (laut Auskunft von PerkinsUK) gebaut zwischen 1948 und 1969. Interessantes Detail war die gemeinsame Ölwanne
(30er) für Motor und 1:1 Getriebe.
Ich mußte ihn gegen den neuen DMS austauschen, da der Perkins nur sehr aufwendig zu restaurieren gewesen wäre,
aber danach leider immer noch viel zu schwach für den Rhein. Er war wohl nur bemessen auf die stillen Amsterdamer Grachten,
für den Weg zur Tankstelle, wegen des Dieselofens …
Zusammengefasst:
Meine ›Noortje‹ ist wohl ungefähr genauso schwer einzuordnen, wie ich :-) und viele Wahrheiten werden noch gesucht …
Über
jeden Hinweis zur Historie des Schiffes würde ich mich freuen!
Das ›Noortje‹ ist in erster Linie mein privates Boot, gewerbliche Nutzung ist nicht vorgesehen.
Das schließt interessante oder lustige Aktionen aber nicht völlig aus! Als sehr besonderes Schiff, in Aussehen sowie Einrichtung, kann Sie z.B. als Location für Dreharbeiten zur Verfügung gestellt werden.
Denkbar sind auch andere Events, insbesondere alles, was davon profitiert, dass sie mit Ihrem sehr eigenwilligen Äußeren erfahrungsgemäß die Blicke auf sich zieht - z.B. als Werbeträger oder Minibühne bei Messen und Veranstaltungen am Ufer, von innen auch für klitzekleine Lesungen. Denn bei zulässiger Personenzahl 12 würde es drinnen bereits arg eng.
Dank ihrer günstigen Abmessungen kann sie die meisten
zugelassenen Gewässer befahren.
Infos auf Anfrage: rega(at)medienschiff.de
Noortje gekapert: Die Schiffsdiebinnen
Der Fluss-Roman
für junggebliebene Piratinnen, Piraten & träumende Landratten.
›Wer Schiffe klaut, kriegt nasse Füße‹ spielt auf Noortje: Erlebe (bzw. erlese) dieses Boot in Aktion!
Auch meine anderen schiffigen Bücher sind streckenweise an Bord entstanden.
Nie ohne Wasser und immer mit einer Handbreit Humor zwischen den Zeilen. Schaut mal rein!