Bald kommt der Nikolaus
von Monika Niessen
»Immer noch keine Post vom Opa«, sagte Ramona zu ihren Kindern, als sie den Briefkasten geleert hatte.
Morgen war Nikolaus. Ein Tag den ihr Vater sehr liebte. Er hatte es nie versäumt dabei zu sein wenn seine vier Enkelkinder vom Heiligen Mann besucht wurden.
Im letzten Jahr starb Ramonas Mutter, die nach einem Schlaganfall, zwei Jahre zuvor, zum Pflegefall wurde.
Nach dem Tod seiner Frau hielt es ihren Vater nicht mehr zuhause. Er reiste um die Welt. Pünktlich zu den Familienfesten war er wieder da, denn seine einzige Tochter und ihre Familie waren ihm wichtig.
Im Sommer brach er mit einem Freund auf zu einem Segeltörn durch die Karibik.
Von der Ehefrau des Freundes erfuhr sie von einer Havarie und dass ihr Mann in Havanna sei. Sobald er reisefähig wäre, wolle er zurückkommen, dann würde Ramona mehr erfahren.
Diese SMS bekam sie im September. Sie versuchte vier Wochen später wieder Kontakt zu der Frau aufzunehmen, was ihr aber nicht gelang.
Auch über das Auswärtige Amt konnte sie nicht mehr erfahren.
Bisher hatte sie ihre Sorge um den Vater verdrängt, gehofft, dass er bis zum Nikolaustag wieder da sein würde, aber heute war es mit ihrer Zuversicht vorbei. Am liebsten hätte sie sich hingesetzt und geweint.
Max, ihr Jüngster, schien zu spüren, dass Mama Trost brauchte. Mit seinen zwei Jahren konnte er sich nicht mehr an den Nikolaus erinnern. Aber weil seine fünfjährige Schwester Mia vom Nikolaus sang, als sie heute aus dem Kindergarten kam, sollte Mama ihm davon erzählen. Dabei konnten sie wunderbar kuscheln.
Ramona setzte sich mit den beiden auf die Couch und begann zu erzählen.
Der achtjährige Oskar und die 10-jährige Emma kamen ebenfalls, als sie ihre Mama reden hörten.
Die beiden großen Kinder erinnerten sich sehr gut an den Nikolaus und auch Mia erinnerte sich an das letzte Jahr.
Aber ein Nikolausabend ohne den Opa, das konnte sich kein Kind vorstellen.
Allmählich wurde es dunkel. Sie hörten ein Auto, konnten aber vom Wohnzimmer aus nicht zur Garage sehen. Das konnte nur Papa sein, der um diese Zeit nach Hause kam. Die Kinder liefen ihm entgegen.
Ramona folgte ihnen.
Emma hatte bereits die Haustür geöffnet und rief: »Papa und Opa!«
Die Überraschung war gelungen. Ramonas Mann hatte seinen Schwiegervater vom Flughafen abgeholt. Der Opa humpelte ein bisschen, schaute aber sonst gut erholt aus.
Ach, was wusste Opa nicht alles zu erzählen!
Der Abend wurde lang. Als die Kinder endlich im Bett lagen und schliefen, da endlich fühlte auch Ramona die Vorfreude auf Weihnachten, die ihr bisher so sehr gefehlt hatte.